antibeige ist keine farbe, sondern eine haltung: für mehr pop, mehr punk, mehr memphis und mehr was-ihr-wollt. „was wir brauchen, sind ein paar verrückte leute; seht euch an, wohin uns die normalen gebracht haben.“ (george bernard shaw)

das ist das ziel dieser interviewserie von func. – wir porträtieren positiv verrückte. menschen, die aus der reihe tanzen, die ein bisschen anders sind, die wenig darauf geben, was wohl die nachbarn denken. und die wir als unsere kunden kennengelernt haben.

Heute: Oliver Mahne, Berlin.

 

text: mathias jahn, fotos: stefan trocha

for an english summary please click here. 

 

„Fernsehen ist das neue Rauchen. Ist das hier ’n Blumenladen? Ich lebe im Niemandsland. Was im Keller steht, ist „Keller“.“

Berlin, Juli 2019, 36 Grad. Der Asphalt klebt ein wenig, als wir auf ein modernes Eckhaus zugehen, irgendwo zwischen Mitte und Kreuzberg. Die Fassade besteht aus Betonstreifen, Glas, Stahlnetz – und schwarzen Vorhängen. Das Erdgeschoss ist fast verborgen hinter einem Schatten spendenden Vorhang aus Jungfernrebe, seitlich eine Tür, die in ein doppelstöckiges Entrée führt. Wir sind mit Oliver verabredet, der hier seit sechs Jahren wohnt.

 

Moin. Das kennst Du noch als Ex-Hamburger, oder?

Ja, da erinnere ich mich dran :-).

 

Für Dich war das Tor zur Welt eher die Tür zur Hauptstadt, oder?

Naja, der Auslöser, nach Berlin zu ziehen, war eigentlich ganz banal meine Wohnungssuche, ich habe gefühlt jahrelang in Hamburg nach einer Wohnung gesucht und keine gefunden. Und irgendwann war ich so genervt und hab’ gesagt: Dann zieh’ ich eben nach Berlin. Ich bin manchmal sehr radikal in meinen Entscheidungen, auch in so elementaren Dingen. Ich habe dann einfach meine Wohnung gekündigt und hatte genau 3 Monate Zeit, in Berlin was zu finden. Ich war sehr blauäugig und sehr optimistisch und es hat sich natürlich herausgestellt, dass es doch nicht so einfach ist. Kurz vor Ablauf der Frist hab ich dann eine unfassbar tolle Wohnung gefunden, die hat auf mich gewartet, am Arkonaplatz. Das war eine Eigentumswohnung von der Chefarchitektin von David Chipperfield, die sie für sich selbst umgebaut hat. Mehr oder weniger loftartig, sehr offen, Terrazzoboden Betonküche, Fischgratparkett, schwebende Betonwand mit Feuerstelle, Schlafzimmer mit begehbarer Dusche aus hauchdünn geschnittenem Travertin, so dass das Licht hindurchscheint.

 

OK, nicht schlecht für eine fast missglückte Wohnungssuche. Und wie fühlte sich das an, so als Neu-Berliner?

Großartig: Ich bin 2006 mit Anfang 40 in eine mehr oder weniger fremde Stadt gekommen. Der große Reiz – und ich habe das wahnsinnig genossen: Ich war das erste Jahr komplett anonym, es kannte mich einfach niemand. Nach 25 Jahren in Hamburg, da bist Du aus dem Haus gegangen und Dich kannte JEDER. Ich erinnere das als ganz großen Luxus, das allererste Jahr in Berlin, wo ich die Stadt so für mich erkundet habe – und ich so frei war, das war unfassbar aufregend und Du erlebst dann natürlich die tollsten Sachen.

 

Aber jetzt sind wir ja in einer anderen Wohnung. Wie kam’s?

Zufall. Oder Schicksal. Ich wohnte also schon ein paar Jahre in dieser tollen Wohnung und hab’ überhaupt nichts Neues gesucht. Aber dann sind Freunde von mir in dieses Haus gezogen, die hatten mich zum Essen eingeladen und mir dabei erzählt, dass hier noch eine einzige Wohnung frei wäre. Dann hab’ ich mir die angeschaut und gedacht, also WENN ich umziehen WÜRDE, dann in genau diese Wohnung. Da war der nächste Schritt vorprogrammiert und ich dachte, na gut, klar, dann zieh’ ich halt um.

Und neben der Wohnung ist es eben auch wieder toll, ein neues Viertel entdecken zu können. Also, eigentlich ist es ja gar kein Viertel, sondern ich lebe hier auf einer Grenze, im Niemandsland. Wortwörtlich, denn da unten, genau in der Mitte zwischen Bethaniendamm und Engeldamm, lief die Mauer durch. Früher war das sogar ein Kanal von der Spree zum Engelbecken, der dann trockengelegt wurde. Vor ein paar Jahren gab es dieses tolle Kunstprojekt zum Gedenken an 25 Jahre Mauerfall, die „Lichtgrenze„, eine Installation mit Tausenden von leuchtenden Ballons und diese Linie aus Tausenden von leuchtenden Punkten lief genau hier unten durch, das war eine so schöne Stimmung, ein tolles Ereignis.

 

Ja, das erinnere ich auch. Aber zurück zur Wohnung… Wenn Du Dich für eine Seite entscheiden müsstest: Minimalismus oder Maximalismus?

Minimalismus. Der gibt mir totale Ruhe. Aber ich schaffe das natürlich gar nicht. Ich hab’ immer diese zwei Herzen in meiner Brust, auf der einen Seite ganz klar Minimalismus – Maximalismus käme für mich sowieso nie in Frage – aber ich mag eben auch Dinge. Und als Minimalist ist es schwer, Dinge zu mögen. Ich finde gelebten Minimalismus unglaublich reizvoll. Aber ich schaffe es nicht, ich will das auch gar nicht, ich umgebe mich auch gern mit schönen Dingen. Obwohl ich mich sehr schwer damit tue, wirklich schöne Dinge zu kaufen. Ich brauche wahnsinnig lange, mich zu entscheiden, ob es ‘ne Vase ist oder ein Möbelstück: Ich will diese Gewissheit haben, dass das wirklich zu mir gehört, dass es das Richtige ist, dass es mich begleitet, einen langen Weg geht. Darum ist auch dieses Wegwerfkonzept für mich undenkbar: Ach, wir kaufen was, weil’s so billig ist, wir kaufen jetzt dieses Bett für 100 Euro oder dieses Sofa… Das ist nichts für mich. Ich würde auch niemals etwas kaufen, weil es grad nicht anders geht, da kauf‘ ich lieber gar nichts und schlaf‘ auf dem Boden, bevor ich etwas kaufe, was einfach keinen Wert hat.

 

Und wie entscheidest Du, was zu Dir „passt“?

Ein ganz wichtiger Aspekt für mich ist die Wertigkeit, das spielt bei mir eine massgebliche Rolle. Es geht dabei gar nicht um Luxus, das muss jetzt kein tolles Label sein, eher was, wo der Gedanke dahinter schon die Wertigkeit bestimmt. Wie etwas entstanden ist, ob’s von einem Künstler stammt, von einem Möbelbauer, das finde ich schon toll. Das muss nicht gleich einzigartig auf der Welt sein, aber ein Alleinstellungsmerkmal ist schon gut. Ich bin immer auf der Suche nach dem Besonderen, obwohl man natürlich um den Mainstream auch nicht komplett drumrumkommt. Wertigkeit und Materialität sind mir für mich elementar. Ich liebe das, ich würde mich zum Beispiel immer für Vollholz entscheiden, für schwere Materialien, Marmor, Bronze, Beton – da müssen wir gar nicht drüber reden, das ist das tollste Material überhaupt. Und ich mag Geschichte, alte Dinge, Vintage-Sachen, aber auch da tue ich mich oft schwer. Ich hab so zwei, drei Läden in Hamburg, wo ich immer wieder mal gucke, da seh’ ich viele schöne Dinge – aber ich habe seit Jahren nicht viel gekauft. Da gibt’s definitiv Dinge, die mir gefallen – aber sie gehören eben nicht „zu mir“.

Dann mag ich aber auch totale Widersprüche: hier, dieser alte Melkhocker, das ist wirklich einer, der kommt aus einer alten Scheune, den hab’ ich seit 30 Jahren und ich liebe den total. Ich bringe gerne Dinge zusammen, die eigentlich nicht zusammengehören. Und daneben steht ein Hocker von Mauro Mori, einem Bildhauer und Designer aus Mailand, ein limitiertes Designobjekt, also schon ein krasser Gegensatz zum Melkhocker. Und trotzdem gehören die zusammen, die stehen immer nebeneinander. Oder hier der Baumstamm, auf dem die Anlage steht, ein wirklich schweres Ding und darüber eine Wandleuchte von Flos, die man mit dem kleinen Finger bewegen kann. Den Stamm hab ich in meinen Jugendjahren mal von einer Baustelle geklaut und als ich den mitgenommen habe, war er auch noch von Wasser getränkt, also doppelt so schwer. Ich hatte damals einen VW Kübelwagen, da hab ich den reingeschmissen und der Kübel ist ordentlich in die Knie gegangen.

Der Holzklotz ist natürlich gar nichts wert, aber er begleitet mich eben auch seit 25 Jahren. Es gibt eben Dinge, die ich immer mit mir rumschleppe, die sind mit mir verwachsen. Ich hatte so viele Designermöbel, von einem Bibendum-Sessel über die Kjaerholm-Liege – wo ich mich heute ärgere, dass ich sie weggegeben habe, weil es eine ganz frühe war – oder was auch immer, die tollsten Dinge, die aber irgendwann dann doch gehen mussten. Der Holzklotz bleibt halt. Das ist doch ganz erstaunlich. Und dabei ist er noch nicht mal hübsch.

 

Dein wievielter Umzug war das eigentlich?

Ich bin kein Viel-Umzieher, aber eher unfreiwillig. Ich wäre gern viel mehr umgezogen, weil ich Umziehen ganz spannend finde, aufregend. Es bedeutet eine neue Stadt oder ein neues Viertel, die ganze Umgebung neu zu entdecken. Eine neue Wohnung zu ertasten, zu erfühlen: Toll. Aber in Wirklichkeit habe ich immer sehr, sehr lange in meinen Wohnungen gewohnt, was auch daran liegt, dass ich den adäquaten Ersatz nicht gefunden hab’, womit ich zufrieden war.

 

Machst Du alles neu, wenn Du umziehst?

Grundsätzlich ja, das ist die ideale Gelegenheit um Ballast abzuwerfen. Am besten den kompletten Kleiderschrank entsorgen – oder auch den Keller: Ich hätte am liebsten gar keinen Keller mehr. Ich hab’ irgendwann verstanden: Alles, was im Keller steht, ist „Keller“. Das hat dann diesen Makel. Ich hatte in meiner letzten Wohnung in Hamburg einen Dachboden, der war voll. Bis zur Decke gerammelt voll mit tollen Dingen, aber ich habe mich nicht mehr erinnert, was da oben steht. Und als ich nach Berlin gezogen bin… ich bin nicht mehr auf diesen vollgerammelten Dachboden gegangen. Ich hatte zu der Zeit einen Kurierfahrer, der auch alle meine Produktionen mitgemacht hat, den kannte ich gut, der hatte Familie, drei Kinder und so weiter… Und dem hab’ ich den Dachbodenschlüssel in die Hand gedrückt, er hat seinen 7,5Tonner vollgeladen mit allem, was da oben war, das hab’ ich ihm geschenkt. Er hat einen Teil behalten, einen Teil zu Geld gemacht, was ich völlig in Ordnung finde. Und da waren echte Schätze dabei – gut, dass ich mich nicht mehr so genau erinnern kann. Aber ich wollte das nicht mehr, ich war jahrelang nicht da oben, es war nicht mehr in meinem Kopf, ich brauchte es also nicht. Aber in dem Moment, wo Du auf den Dachboden gehst oder in den Keller, dann fängt es an: Oooohhh, wie schön, und das, und das – Du endest mit einer Empathie für diese Dinge und Du kannst sie nicht mehr weggeben. Und dann fängt der Stress an: Das behalt’ ich noch, das kann ich nicht weggeben und das muss ich wenigstens verkaufen – und plötzlich hast Du einen Aufwand, den Du vorher gar nicht hattest. Dann lieber verschenken, verschenken macht einfach ein gutes Gefühl.

 

Gibt es denn etwas, das Dich an der Architektur hier stört?

Ich habe mich ja auch wegen der Architektur in die Wohnung verliebt. Aber man leidet dann eben auf hohem Niveau. Ich liebe zum Beispiel Sichtbeton – und hier ist ja das ganze Haus Beton. Darum ich finde es schade, dass ich gar keine Betonwände sehen kann, die sind alle verputzt. Das tut mir echt physisch weh, das nagt jeden Tag an mir. Ich versteh das nicht, warum die Wände hier nicht Beton pur sind. Toll finde ich die Balkone mit den Stahlnetzverkleidungen, den um 90 Grad gedrehten Herd, die bündig eingelassenen Leuchten in der Decke – das sind alles spannende Ideen von den Architekten. Aber die Deckenleuchten sind natürlich eher ein Putzlicht, da knallt einfach das Licht nach unten. Das ist wie mit Downlights, die sind der Super-Gau, das ist echt ein Schlag in die Magengrube, das hab’ ich nie verstanden. Das hat sowas Elitäres, das gibt’s in diesen schicken, schlüsselfertigen Eigentumswohnungen, wo die schon in der Decke eingelassen sind. Dabei machen die so ein beschissenes Licht, ein hartes Licht, das einfach von oben nach unten strahlt. Menschen sehen unter Downlights einfach nicht gut aus: Das beleuchtet Deinen Kopf von oben, das ist nicht immer vorteilhaft. Und auch atmosphärisch ist Downlight einfach nichts Schönes. Ich bin ein Riesenfan von verschiedensten Lichtquellen: Tischlampen, Stehleuchten, weiche Lichtquellen, die Akzente setzen.

 

Apropos Akzente: Mit Farben gehst Du ja eher sparsam um – aber, wenn, dann knallt’s.

Das kommt auch vom Minimalismus glaub’ ich: „Eintönigkeit“ beruhigt mich, am besten alles in harmonischem Grau. Farben sind mir oft zu laut, zu mächtig. Darum gibt es hier viel farblosen Hintergrund: Umso toller wirken doch die 87 GrünSchattierungen der Terrassenbepflanzung. Aber es ergibt eben auch eine Harmonie. Keine Farben bedeutet ja nicht, dass es keine Schwerpunkte gibt, die werden nur anders gesetzt. Übrigens: Gerade mit Pflanzen war ich schon immer so ein bisschen manisch, schau Dir meinen Laden an: Ich hab’n Café und die Leute kommen rein und fragen: „Ist das hier ’n Blumenladen?“ Das macht mich total fertig, ich kann Pflanzen nicht widerstehen. Dreimal ins Gartencenter – und schon hast Du eine grüne Wand im Wohnzimmer.

 

Beruhigend klingt so… ruhig: Ist Deine Wohnung auch mal Partyzone?

Das kann ich ganz klar beantworten: Es hat hier noch nie eine Party gegeben. Das ist sehr, sehr privat, ich tu’ mich tendenziell schwer, hier überhaupt Menschen reinzulassen. Ich glaube, viele würden denken, das ist eine Wohnung zum Herzeigen, aber das sehe ich überhaupt nicht so. Ich habe eine maximale Lust am Gestalten aber eben nicht, um andere zu beeindrucken. Das ist für mich, und nicht für jemand anderen. Das hat vielleicht auch ein bisschen einen psychologischen Hintergrund, aus der Kindheit, dass ich oft das Gefühl habe: Das ist nicht gut genug. Ich bin extrem kritisch, gerade, wenn Leute mich besuchen, die mir nahestehen. Das ist schon zu einem Perfektionismus geworden und das kann auch eine Belastung sein: Es macht Stress. Egal, ob es eine Salatsauce ist, oder ein Stift, oder ein Klebeabroller… wenn ich in einen Baumarkt gehe, verbringe ich manchmal eine Stunde im Laden, weil ich nach der perfekten Lösung suche. Und dann bin ich noch nicht zufrieden, fahre wieder nach Hause und google, ob es noch was Besseres gibt. Und dann gibt’s Leute, die nehmen was aus dem Regal, was klebt und sagen: „Good enough!“ Das macht das Leben natürlich leichter.

 

Apropos Salatsauce: Zeigst Du uns Deinen Kühlschrank?

Kein, Problem, schau rein, der sieht eigentlich immer ordentlich aus. Hier: Melone, noch ’ne Melone, rote Beete, Staudensellerie… da wird jeden Morgen mit dem Slow Juicer ein halber Liter gepresst – und der wird dann auch getrunken. Über gesunde Ernährung könnte ich jetzt auch ein längeres Referat halten… glutenfreies Brot, Leinöl, Schwarzkümmelöl, Shoyu-Sauce, Kombucha, Bärlauchpesto, fermentiertes Kraut. Und tiefgefrorene Bio-Blaubeeren für den Smoothie.

 

Sehr schön. Gibt’s auch was Ungesundes? Hast Du zum Beispiel einen Fernseher?

Ja. Aber ich würde ihn gerne nicht mehr haben wollen, weil ich es nicht mehr zeitgemäß finde. Fernsehen ist das neue Rauchen. Abends stundenlang vor dem Schlafengehen fernsehen, ist eben nicht gesund, vor allem geistig. Guter Schlaf ist so ungemein wichtig. Und da ist 5 Stunden Fernsehen nicht gerade förderlich. Das blaue Licht des Bildschirms ist superschlecht für die Bildung von Melatonin. Da hilft nur noch eine Blaufilterbrille. Abends sollten wir zur Ruhe kommen, spazierengehen, meditieren, darum will ich eigentlich keinen Fernseher mehr. Früher hab ich morgens gern nebenher noch Frühstücksfernsehen geschaut, aber dann hab’ ich mich irgendwann wie ’ne Hausfrau gefühlt, die dann gar nicht mehr loskommt davon. Aber konkret: Was ich wirklich liebe – das hört sich jetzt fürchterlich klischeehaft an, aber es ist die Wahrheit – sind Dokumentationen auf arte. „Zu Tisch …“ im Perigord oder auf Korfu oder irgendwo in Norwegen, bei Familien zuhause, das fasziniert mich. Oder Wissenschaftsdokus, Natur, Neuseeland von oben, wildes Alaska, das liebe ich.

 

Hast Du Kunst lieber im Museum oder zuhause an der Wand?

Ich liebe Museen, das bedeutet natürlich ein ganz anderes Erlebnis. Du hast Menschen um Dich rum, bei denen Du davon ausgehst, dass sie sich auch für Kunst interessieren, das ist doch schon mal schön. Und dann bedeutet Museum für mich immer auch die Hülle, die Architektur. Kunst ist echt ein Thema, obwohl ich hier sehr wenig Kunst habe. Es gibt viele Dinge, die ich gern hätte, ich würde auch gern richtig sammeln, aber ich hab’ gemerkt, dass das wahnsinnig viel Zeit kostet. Du musst Dich informieren, Dich damit auseinandersetzen, viel anschauen, das endet in so einem Fulltime-Job. Aber irgendwann habe ich hoffentlich Zeit und Geld, um mich mehr um Kunst zu kümmern, denn eigentlich mag ich Kunst sehr, sehr gerne um mich haben, es gibt definitiv ein paar Sachen, die ich gerne hätte.

 

Und das Gegenteil: Hast Du ein Faible für Kitsch, den Du wegräumst, wenn Gäste kommen?

Nein. Sowas hab’ ich gar nicht.

Und die Elefanten?

Das ist kein Kitsch, das ist Afrika. Eigentlich meine zweite Heimat. Ich fahre seit Anfang der Neunziger jedes Jahr nach Kapstadt – und von da habe ich die mitgebracht. Das sind schöne Objekte, die haben natürlich was Dekoratives, aber eben auch was Archaisches, der große ist richtig, richtig schwer und hat eine ganz tolle Materialität und, worüber wir vorhin auch gesprochen haben, eine Wertigkeit. Kein billiger Touri-Nepp, sondern wirklich ein wahnsinnig schönes Stück.

 

Gibt es eine Einrichtungserfahrung, die Du an andere weitergeben würdest?

Hmm, vielleicht sowas: Wenn man baut oder umbaut, hat man eine große Chance: Entscheidet Euch für die richtigen Materialien. Die Grundelemente müssen stimmen: Boden, Wände, Fensterrahmen, Fliesen. Da würde ich immer das Beste nehmen, was man sich gerade noch leisten kann. Das kostet natürlich Geld, aber gerade, wenn Du Eigentum schaffst, musst Du darauf achten, dass das über die Jahre eine tolle Patina bekommt und nicht nur runtergerockt aussieht. Billige Materialien altern auch billig, die kannst Du nur wieder rausreißen. Dann lieber bei Sachen sparen, die man leichter ersetzen kann: Lieber mit ’ner nackten Glühbirne wohnen als mit Plastikfenstern. Tolle Materialien werden einfach schöner, weil die gelebt haben. Es gibt zum Beispiel in Mailand in den alten Häusern Terrazzoböden, die werden seit 100 Jahren immer schöner – sogar, wenn sie abgelaufen sind oder mal gebrochen.

 

Schlußfrage: Du hast die freie Auswahl, welches Objekt hättest Du hier gern in der Wohnung?

Einen Tisch von Ico Parisi.

Na dann: Viel Erfolg damit und vielen Dank für Deine Zeit!

 

english interview summary

text: mathias jahn, photos: stefan trocha

antibeige is not a color, but an attitude: for more pop, more punk, more memphis and more what you want. „what we need are a few crazy people, look at what we have reached with the normal ones.“ (george bernard shaw)

that’s the aim of this interview series by func., we portray positively crazy people. people who who step out of line, who are a bit different, who don’t give much thought to what the neighbors think. and whom we’ve got to know as our customers.

Berlin, July 2019, 36 degrees Celsius. Walking over slightly sticky we reach a modern corner house, somewhere between Mitte and Kreuzberg. The facade consists of concrete strips, glass, steel mesh and black curtains. The ground floor is almost completely covered with ivy, with a side door leading into a two-storey entrance. We’ll meet resident Oliver.

„I’m living here for about six years now. This apartment was a wonderful discovery: Frineds invited me for dinner and I decided to get the last available flat immediately. Next to the apartment, it’s also great to discover a new neighborhood. It’s a bit of a ’no man’s land‘. Literally, because down there, right in the middle between Bethaniendamm and Engeldamm, the Berlin wall ran through. A few years ago, there was this great art project to commemorate 25 years of the fall of the wall, the „light border„, an installation with thousands of glowing balloons and this line of thousands of illuminated dots ran right down there, that was such a beautiful atmosphere, such a great event.

I also fell in love with the apartment because of the architecture. But suffering on a high level, there’s always something to criticise. For example, I love exposed concrete – and here the whole house is made of it. That’s why I think it’s a pity that I can’t see any concrete walls at all, they’re all plastered. That really hurts me physically, it gnaws at me every day. I don’t understand why the walls here are not pure visible concrete.

I love the balconies with the steel mesh cladding, the flush-mounted lights in the ceiling, the kitchen stove, rotated through 90 degrees – these are all exciting ideas by the architects. But the ceiling luminaires are of course more suitable for cleaning, because the light simply bangs downwards. It’s like with downlights, they’re a disaster, it’s a real blow to the stomach, I never understood that. There’s something elitist about that, like in these chic, turnkey condominiums, where they’re already embedded in the ceiling. And they make such a shitty light, a hard light that just shines from top to bottom. People simply don’t look good under downlights: It illuminates your head from above, which is not always beneficial.  

I think a lot of people would think this is a place to show off, but I don’t see it that way at all. I have a maximum desire to design – but not to impress others. I really don’t invite peopl over here: It’s just for me, not for someone else. Maybe this also has a bit of a psychological background, from childhood, a common thought of mine: That’s not good enough. I am extremely critical, it has already become perfectionism and that can also be a burden: it causes stress. Whether it’s a salad dressing, or a pencil, or an adhesive film dispenser… when I go to a hardware store, I sometimes spend an hour in the shop looking for the perfect solution. And then I’m not satisfied yet, go back home and google if there’s anything better. And then there are those people who take something off the shelf that sticks and say: „Good enough!“ That of course makes life easier.“